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Über die Diskussion zu Lisa Eckart habe ich mich bisher nicht geäußert, habe immer noch keinen klaren Standpunkt, mit dem ich selbst zufrieden wäre. Aber angeregt hat diese Diskussion dann doch Überlegungen dazu, wie gerade mit Kritik umgegangen wird. Also was kritisiert wird und aus welchem Grund. Vor allem auch wie leicht. Ich begebe mich hier nicht nur auf dünnes Eis sondern auch auch sehr glattes. Ich kann mit dieser ständigen Erregungskultur immer weniger anfangen, auch wenn ich ihr viel zu lang auch anhing. Im Sinne von: Darüber sollte man schon sprechen. Man sollte vielleicht doch vorsichtiger und auch auf alle Bedacht nehmen. Was letztlich doch dabei untergeht, ist eine wirkliche Kontroverse, kontroversielle Meinungen, die man gelten lassen kann. Es wird aber nichts mehr mal stehengelassen um es sich genau anzusehen. Es kommt die Erregung, die Twitter-Threads, die Shitstorms. Ich finde das mittlerweile auch extrem problematisch. Das ganze wird dann gerade mit Cancel Culture beschlagwortet, wo ich dann auch nicht so genau weiß, was es in all seiner Dimension heißen soll. Mir kommt es so vor als ob den Leuten in ihren Twitter-Blasen dann doch so fad im Schädel ist, dass sie ständig irgendwas aufblasen müssen und gerade dadurch, dass sie es aufblasen, etwas eben größer machen, als es eigentlich ist. Ich schreibe nicht von Eckert, ich will mir jetzt auch keine Auftritte von ihr ansehen, um da mitreden zu können. Ich will mich nicht miterregen, ich rege mich sowieso schon ständig über sovieles auf. Ich will nicht mithelfen beim Clicks und Aufmerksamkeit generieren. Deswegen lösche ich feigerweise einfach, bevor ich zum diskutieren anfange, weil ich weiß, wo es enden könnte. Gleichzeitig sehe ich nicht ein, warum ich nicht den hashtag #blacklivesmatter verwenden soll, wenn ich es für angemessen halte, wenn es nämlich tatsächlich um Probleme geht, denen sich primär dunkelhäutige Menschen ausgesetzt sehen oder man betonen will, dass man solidarisch ist. Warum sollte ich das als weißer Mitteleuropäer nicht dürfen, ihr assholes. Da kann mir knight_9872347 noch so oft schreiben „take it down!“. Fuck you!
Die Menschen brauchen offenbar etwas zu tun, deswegen surfen sie im Internet herum und schreiben random Kommentare und bemühen sich hart den nächsten shitstorm auszulösen als ob sie sich dann wie Gott fühlen könnten. Die timelines wollen gefüllt werden und Katzenfotos gehen nicht immer, die Blogs wollen auch gefüllt sein, nachdem das letzte Smoothie-Rezept so durch die Decke gegangen ist, auch die Online-News-Seiten wollen gefüllt sein, nachdem alle APA-Nachrichten kopiert und sämtliche als Artikel getarnten, bezahlten Werbeeinschaltungen bereits abgearbeitet wurden. Das Füllmaterial ist die Erregung, nicht der Diskurs. Die, die am lautesten awareness schreien, wollen die glattgebügeltsten und in eine Richtung frisierten Meinungen etablieren. Wo vegan voll cool ist und man natürlich immer Fahrrad fährt und nie per Flugzeug verreist, nur politisch korrekte feministische Literatur liest und wo sämtliche Gegenstände, die man besitzt und natürlich auch das Essen nachhaltig ist, weil man sich in seiner linearen Hipsterhippieblase sich das leisten kann und gar nicht mehr daran denkt, dass nicht jeder das Geld dafür hat oder das Privileg im Leben so durch die Welt zu laufen. Es kann sich nicht jeder so gewählt und in Neusprech ausdrücken, ihr Ficker, will es vielleicht auch gar nicht.
Am meisten ärgert mich aber der Umstand, dass dies alles nicht nur von einem totalitären sondern auch von einem zutiefst zynischen Aspekt gespeist wird. Ich unterstelle den Menschen, die da miterregen, dass es sie irgendwie freut, wenn wieder mal ein rassistischer oder antisemitischer oder misogyner Vorfall passiert, denn dann haben sie wieder was zu reden und zu schreiben und genau dadurch triggern sie, dass es immer so weitergeht und sind letztlich (mit)schuld daran, dass im Jahr 2020 tatsächlich noch tätliche Übergriffe auf jüdische Mitbürger passieren. Nichts Anderes wünschen sie sich ständig, insgeheim, diese privilegierten Arschlöcher.

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